Im digitalen Kapitalismus haben Google, Facebook und Amazon ein unheimliches Monopol. Zusammen mit den Geheimdiensten wissen sie mehr über uns als wir selber.
ÜBERWACHTE ÜBERWACHER: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman pflegt gute Beziehungen zu US-Präsident Donald Trump. (Foto: The White House)
Wenige träumen von einer rosa Zukunft im digitalen Kapitalismus, andere packt jetzt schon der Horror: Denn der technische Fortschritt bedeutet heute Tod, Kontrolle und Mehrwertabschöpfung:
Trauma 1: Die Budgets der US-amerikanischen Geheimdienste betragen pro Jahr mehr als 30 Milliarden Dollar. Sie zeichnen jedes Telefongespräch auf, überwachen den gesamten E-Mail-Verkehr und schnüffeln mit immer raffinierteren Trojanern auf unseren Festplatten herum. Die USA lieben den American Football und halten nichts von Soccer. Auch deshalb sind die Fussballverbände Uefa und Fifa in ihrem Visier. Und deshalb bekamen die Investigationsjournalisten des «Spiegels» und des «Tages-Anzeigers» 70 Millionen Dokumente zugespielt. Dank diesen wissen wir jetzt: Bayern München wollte die Bundesliga verraten. Paris St-Germain wurde rechtswidrig geschont. Der Capo Gianni Infantino kastrierte die Fifa-Ethikkommission samt ihrem Codex. Und: Der Oberwalliser Staatsanwalt Rinaldo Arnold durfte Infantino zu Bundesanwalt Michael Lauber begleiten. Und erhielt im Gegenzug Gratisgeschenke. Die müssen bei der Uefa und der Fifa schön blöd sein, das auch noch schriftlich festzuhalten.
Trauma 2: Mindestens so blöd sind die Saudis. Ein fünfzehn Mann starkes Spezialkommando hat im saudischen Konsulat in Istanbul den Journalisten Jamal Kashoggi erdrosselt. Danach seine Leiche in Teile zersägt. Und die einzelnen Leichenteile in Säure aufgelöst. Der türkische Geheimdienst hat alles mitgehört und mitgefilmt. Und seit einigen Wochen jagt der türkische Staatspräsident Recep Erdogan die Saudis mit immer neuen Teilenthüllungen durch das Unterholz. Nur den Saudi-Kronprinzen Mohammed bin Salman lässt Erdogan bisher aussen vor. Denn Pack schlägt sich und verträgt sich kurz darauf wieder.
Trauma 3: Google, Amazon & Co. wissen oft mehr über uns als wir selber. Nächstens werden sie uns vorschlagen, was wir kaufen sollten und mit grosser Wahrscheinlichkeit auch kaufen werden. Und für jede Käuferin, jeden Käufer errechnen ihre Algorithmen den eigenen, optimalen Preis. Optimal für das Kapital.
Trauma 4: In China benutzt die kommunistische Partei den Kapitalismus, um zur stärksten Volkswirtschaft der Welt zu werden. Oder umgekehrt. So genau wissen wir das nicht. Bestandteil der Strategie ist die totale Überwachung der Bürgerinnen und Bürger durch den Staat und somit durch die Partei. Nur wer pariert, wird belohnt.
Wir müssen die faktischen Monopole von Google, Facebook und Amazon zerschlagen. Und es braucht gläserne staatliche Verwaltungen. Zu viel Optimismus scheint zurzeit leider nicht angezeigt.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/infosperber
Täglich sind mehr als 13’000 Internette auf Infosperber unterwegs. Es lohnt sich. Bereits zu Beginn dieses Jahres berichtete der Journalist Peter G. Achten darüber, was auf die Chinesinnen und Chinesen in Sachen Überwachung zukommt.
- rebrand.ly/taz
Trost spendet den Freundinnen und Freunden des Fortschritts für einmal die TAZ: «Unter kapitalistischen Bedingungen bedeutet technischer Fortschritt nicht zwingend sozialen Fortschritt – es kann sogar ins Gegenteil umschlagen. Um dies zu verstehen, lohnt es sich weiterhin, Marx zu lesen. Seine genauen Analysen bewahren davor, voreiligen Untergangsszenarien, wie Mason sie formuliert, zu folgen. Gegenüber solchen Schnellschüssen bleibt deshalb im Anschluss an Marx die Erkenntnis, dass der Einsatz für eine Digitalisierung, welche die Lebensbedingungen der Menschen verbessert, notwendig mit der Kritik an der kapitalistischen Konkurrenz- und Verwertungslogik verbunden bleiben muss.» Immerhin.